Dieses Projekt wird gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und präsentiert von der Sächsischen Landesbibliothek — Staats- und Universitätsbibliothek Dresden und der Humboldt-Universität zu Berlin.
![]() CIII. Ueber Barytgläser; von Dr. H. E. Benrath, d. Z. technischer Director der Glashütte Lisette bei Dorpat.Unter den Schmelzmaterialien welche sich die Glasindustrie zu Nutze machen kann, ist eines, der Baryt, bisher entschieden weniger beachtet worden, als er es verdient, obgleich sich, sowohl aus dem gelegentlichen Schmelzversuche Doebereiner's, als auch aus den Resultaten die einzelne Hütten bei sporadischer Verwendung sowohl des kohlensauren als des schwefelsauren Baryts erreichten, ergibt daß die Hütte mit Hülfe dieser Salze Producte herzustellen vermag, die was hohes specifisches Gewicht und großes Lichtbrechungsvermögen betrifft, den Bleigläsern nahe stehen, ohne indeß manche Inconvenienzen, so ein leicht rauchig werden, und große Empfindlichkeit gegen mechanische und chemische Einflüsse, mit jenen zu theilen. Uebersieht man die spärlichen Nachrichten welche über Verwendung oder Verwendbarkeit des Baryts auf Glashütten in die Oeffentlichkeit gelangten, so geht aus den meisten derselben mit auffallender Uebereinstimmung hervor, daß, ungeachtet Doebereiner in seinem Schmelzversuche,84) so wie der Schmelzer der durch Zufall oder Unkenntniß auf die |423|
Denkt man sich in einem gewöhnlichen Fensterglase NaO, CaO 6 SiO² einen Theil des Alkalis durch Baryt ersetzt, und für einen Theil des Kalkes Bleioxyd eingeführt, so gelangen wir, wenn nach Aequivalenten 1/3 des Alkalis und 1/2 des Kalkes ersetzt werden, zu der Formel:86) (6KO + 6CaO 36SiO²) 4KO, 2BaO, 3CaO, 3PbO 36SiO² deren Procentzusammensetzung der des aus dem angeführten Gemenge zu gewinnenden Glases sehr nahe steht:
Bei den folgenden Versuchen stellte ich mit nun die Aufgabe, die Verwendbarkeit des Baryts für die Zwecke der Glashütte systematisch zu prüfen und mich hierbei davon zu überzeugen, ob und in wie weit, das Verhalten des Baryts hierbei Veranlassung gebe, ihn als Als Ausgangspunkt der folgenden Schmelzversuche diente das oben erwähnte Doebereiner'sche Barytglas, von dem ich mit, obgleich vom |424|
Das gewonnene Glas zeigte mittlere Härte und hohen Glanz. Spec. Gew. = 2,875. Gröblich gepulvert, verlor es unter Einwirkung siedenden Wassers bereits in circa 10 Minuten seine Durchsichtigkeit, würde also jedenfalls dem Erblinden sehr ausgesetzt seyn, und wahrscheinlich in feuchter Luft, wie manche englische Spiegelgläser, Bei den folgenden Versuchen, die mit 1,5 bis 2 Kilogrm. Gemenge im Thontiegel und Siemens'schen Ofen der Spiegelfabrik bei Dorpat angestellt wurden, ging ich zunächst zu Gemengen über, welche Gläser dem gewöhnlichen Fensterglas analog zusammengesetzt, und also der Sättigung RO, 3 SiO² nahe kommend lieferten.
Das Glas erschien, nachdem sich das Gemenge leichtflüssig gezeigt, homogen, war indeß nicht ganz lauter geworden. Die Analyse ergab die Zusammensetzung:
Denkt man sich die Thonerde mit den geringen Mengen Eisenoxyd in Verbindung mit der zugehörigen Menge Kieselsäure als im Glase gelösten Thon (Al²O³, 2SiO²) des Schmelztiegels, so erhalten wir nach Abzug von 3,25 Proc. Thon die Zusammensetzung des in Rede stehenden Glases: |425|![]()
Um Uebersichtlichkeit beim Vergleiche der verschieden zusammengesetzten Gläser zu gewinnen, hielt ich es für erforderlich, jeder Zusammensetzungsangabe unter der Bezeichnung Der folgende Versuch galt der Herstellung eines analog zusammengesetzten nur etwas weniger basischen Glases, aus den schwefelsauren Salzen.
Die Glasbildung ging, wie überhaupt bei Verwendung von Sulphat, etwas langsamer als bei Anwendung von Carbonaten vor sich; das fertige Glas schmolz leicht, zuerst mit brauner Färbung (Schwefelmetall), die sich während des Fortschreitens der Schmelze verlor. Das erkaltete Glas war homogen und ziemlich lauter, zeigte schönen Glanz, mittlere Härte, und bläulichen Stich. Spec. Gew. = 2,961. Zusammensetzung:
oder nach Abzug von 6,26 Proc. Thon und 1,31 Proc. Glaubersalz:
Zur Sättigung erforderliche Kieselsäure: 10,82 Proc. |426|![]() Wie erwähnt, zeigte das in Rede stehende Glas einen ausgesprochen blauen Stich und erschien nicht ganz lauter, zwei Fehler von denen, wenn sich der erste bemerkbar macht, der andere meinen bisherigen Erfahrungen gemäß nie fehlt. Die Schmelzer behaupten in diesem Falle, die Galle (unzersetztes Sulphat) sey in's Glas gegangen, von demselben gelöst Horden, eine Ansicht die bereits von Bosc d'Antic 87) vertreten worden ist. Pelouze hat nun zwar in allen von ihm untersuchten Gläsern einen Gehalt an schwefelsaurem Salze nachweisen können, und gibt die Grenzen desselben als zwischen 0,1 und 2,0 Proc. der Gesammtmasse liegend an,88) ohne indeß zu bemerken, ob bei den sulphatreicheren obiger Fehler bemerkbar gewesen. Jedenfalls spricht indeß das angeführte Glas, so wie eine Portion Spiegelglas hiesiger Hütte das blau geworden, und nur einen Sulphatgehalt von 0,46 Proc. aufwies, dafür, daß wenn schwefelsaures Salz die Ursache dieser Erscheinung ist, bereits bedeutend unter dem Pelouze'schen Maximalwerthe eine wahrnehmbare Wirkung eintritt. An die besprochenen Schmelzversuche mit Natron-Baryt-Gemengen schlossen sich zunächst solche die, im Uebrigen analog zusammengesetzt, Kali-Baryt-Gläser liefern sollten.
Die Gemenge schmolzen gut, II etwas schwerer als I und lieferten homogene, ziemlich lautere Gläser von mittlerer Härte und hohem Glanze, die sich bei Rothgluth gut blasen ließen. I war durch Schwefelmetall braun gefärbt, II wieder etwas bläulich geworden. Die nähere Untersuchung der gewonnenen Gläser ergab: |427|![]()
oder nach Abzug von 4,57 Proc. Thon und 0,24 Proc. Schwefelkalium für I, und 3,73 Proc. Thon und 0,52 Proc. schwefelsaurem Kali für II:
Die Zusammensetzung des Glases I, so wie eine Analyse durch Schwefelmetall braun gefärbten Glases, in welchem ich nur 0,08 Proc. Schwefel nachzuweisen im Stande war, bestätigen nicht nur die Angabe Splitgerber's,89) daß ein Schwefelgehalt von 0,3 Proc. das Glas intensiv zu färben vermöge, sondern liefern sogar den Beweis, daß bereits viel geringere Mengen intensiv gelbbraun zu färben hinreichen. Solche Färbungserscheinungen scheinen bei Versuchen in kleinem Maaßstabe viel leichter einzutreten, als bei regelrechtem Betriebe, wo sie mit bei sechsjähriger Praxis nur 2 bis 3 Mal vorgekommen; ebenso ist es sehr schwierig und zeitraubend, in kleinen Probetiegeln nicht merkbar schlieriges Glas zu gewinnen. Alkali-Baryt-Gläser, in ihrer Zusammensetzung derjenigen guter Alkali-Kalk-Gläser des Handels entsprechend, hatten sich somit, sowohl aus den entsprechenden Carbonaten, als auch aus den Sulphaten, ohne Schwierigkeit herstellbar gezeigt. Sie zeichneten sich jenen gegenüber durch höheres spec. Gew., leichtere Schmelzbarkeit und größeren Glanz aus, und stellten sich in Bezug auf Resistenz gegen chemische Agentien vorläufigen Versuchen nach, etwa in die Mitte zwischen gut componirte Kalk- und entsprechende Bleioxydgläser. Lag nun schon darin, daß sich die letztbesprochenen Gläser nicht merklich in siedendem Wasser lösten, eine Bestätigung dafür, daß der Baryt, auch auf der Hütte, nicht zu den Alkalien gezählt werden könne, so trat solches bei der Steigerung des Gehaltes der Gläser an demselben |428| Der nächste Versuch galt der Herstellung eines Glases der Zusammensetzung NaO, 2BaO 9SiO².
Dieses Gemenge erwies sich bedeutend schwerer schmelzbar als die bisher zur Verwendung gekommenen. Während der Ofen weißglühend war, erschien die geschmolzene Masse homogen, und lieferte, am Probehaken rasch erkaltet, ein durchsichtiges Glas von in die Augen fallendem Glanze. Bei allmählich sinkender Ofentemperatur trat an der Oberfläche der dickflüssigen Masse Denitrification ein. Der, nach weiter abgegangenem Ofen, aus dem letzteren entfernte Probetiegel, welcher sich von einer weißen Kruste bedeckt zeigte, wurde nach völligem Erkalten zerschlagen, und zeigte sich nun der Inhalt in zwei, ihrem Aeußeren nach gänzlich verschiedene Schichten getheilt, von denen die obere eine weiße, strahlig krystallinische Kruste bildete, die sich gegen das unter ihr befindliche durchsichtige sehr schöne Glas, in der Form einander theilweise durchdringender Kugeloberflächen scharf abgrenzte. Die Untersuchung der getrennten Schichten ergab:
Werden, wie oben, Thon und Glaubersalz in Abzug gebracht, so ist die Zusammensetzung der reinen Substanzen:
Zur Sättigung erforderliche Kieselsäure: 3,1 Proc. und 7,7 Proc. |429|![]() Der bedeutende Kieselsäureüberschuß in II läßt dessen Gesammtzusammensetzung der einer hypothetischen Verbindung 2NaO, 4BaO 21SiO² sehr nahe kommen, deren procentische Zusammensetzung wäre:
Obwohl nun schon das eben angeführte Glas langsames Erkalten nicht vertrug, ohne daß theilweise Entglasung eintrat, wurde doch noch eine weitere Steigerung des Barytgehaltes versucht; doch gelang es mit nicht, ohne den Schmelzofen weiter zu forçiren, als es zur Herstellung kalkreichen Spiegelglases erforderlich ist, ein Gemenge den Verhältnissen eines Glases NaO, 3BaO 12SiO² entsprechend, in regelrechten Fluß zu bekommen. Ich gewann nur eine zwischen Fritte und Schmelze stehende, nicht homogene Masse. Auch hierin verhält sich der Baryt somit dem Kalke ganz analog, nur ist, da wie oben erwähnt, die Barytgläser bei entsprechender Zusammensetzung durchgehend leichter schmelzbar sind, als die Kalkgläser, bei gleicher Temperatur ein, auch relativ höherer Barytgehalt möglich, ohne daß das Glas zu schwerflüssig würde. Noch lag die Frage vor, ob bei Alkali-Barytgläsern der Kieselsäuregehalt weiter gesteigert werden könne, als solcher nach Pelouze's Untersuchungen90) bei Alkali-Kalkgläsern thunlich ist, ohne daß Entglasung einträte. Schon das theilweise entglaste, oben angeführte Glas schien dem zu widersprechen; dennoch setzte ich behufs Gewinnung eines Glases der Zusammensetzung NaO, BaO 8SiO² das folgende Gemenge an:
Die Masse war ziemlich schwerschmelzbar, lieferte aber ein bei Weißgluth, und nach raschem Erkalten, durchsichtiges, gut durchgeschmolzenes Glas. Bei abgehender Ofentemperatur trat in der Masse Entglasung ein und zeigten sich zunächst am Boden des Gefäßes rundliche undurchsichtige Körner, worauf bei weiterem langsamem Erkalten fast die ganze |430| Zusammensetzung:
Zusammensetzung der entglasten Masse, nach Abzug des Thones:
Bei dem hierauf folgenden Versuche wurde der Barytgehalt des Gemenges, entsprechend der Verbindung NaO, 2BaO 12SiO², gesteigert.
Das Gemenge schmolz recht schwer, lieferte indeß ein bei Weißgluth durchsichtiges Glas. Bei fallender Ofentemperatur entglaste sich letzteres rasch und vollständig, und bildete erkaltet eine dichte weiße Masse von körnig krystallinischem Gefüge und großer Härte, spec. Gew. = 2,864, deren Zusammensetzung:
![]() oder nach Abzug von Thon und Glaubersalz:
Auch in Beziehung auf leichte Entglasbarkeit bei einer Steigerung des Kieselsäuregehaltes bis zur Sättigung 2RO 7SiO², oder gar RO 4SiO², zeigen somit die Alkali-Barytgläser den Alkali-Kalkgläsern ganz analoges Verhalten, und ist somit der Baryt auch auf der Hütte in jeder Beziehung nur als Vertreter des Kalkes, als alkalische Erde aufzufassen. Scheinbar, aber eben auch nur bei oberflächlicher Betrachtung, stehen hiermit die alkalifreien Baryt Kalkgläser, wie solche von Peligot und anderen Autoren aufgeführt werden, im Widerspruch. Ein Eingehen auf die Zusammensetzung derselben zeigt indeß, daß man es in ihnen mit einer gänzlich anderen Gruppe von Körpern zu thun hat. Während gute alkalihaltige Gläser sich nämlich in der Nähe der Sättigung RO 3SiO² halten, entsprechen jene höchstens der Sättigung RO 2SiO², so ein von Bontemps hergestelltes91) der Zusammensetzung:
und das obenerwähnte Peligot'sche92) der Zusammensetzung:
Ein dem letzteren ähnliches Glas versuchte ich zunächst herzustellen.
Die Masse kam sehr leicht in Fluß, und lauterte gut, das gewonnene |432|
oder, nach Abzug von 7,55 Proc. Thon:
Auch dieses alkalifreie Glas zeigte, wie die gewöhnlichen alten Gläser der Sättigung RO 2SiO², an der hier noch 7,8 Proc. Kieselsäure fehlen, sehr geringe Resistenz gegen Wasser und chemische Agentien, und theilt neben dem hohen spec. Gewicht somit mit den Bleigläsern auch diese Untugend, sowie die andere daß es leicht Um mich nun davon zu überzeugen, ob es nicht möglich ist, ohne Alkalizusätze Gläser der Sättigung RO 3SiO² zu erlangen, wurde eine kleine Portion eines Gemenges angefertigt, das ein Glas der Zusammensetzung BaO, CaO 6SiO² hätte liefern können. 50 Gramme dieses Gemenges wurden im Platintiegel 1 Stunde hindurch der vollen Weißgluth des Glasofens ausgesetzt, lieferten indeß nur eine harte Fritte, die hier und dort geringe Mengen durchsichtigen Glases enthielt, und auch nach weiteren 6 Stunden, voller Ofenhitze ausgesetzt, nicht in's Schmelzen kam. Die geringen Quantitäten Glas wurden ausgebrochen und ergab eine Analyse derselben die Zusammensetzung:
welche der einer Verbindung BaO, 2CaO 6SiO² nahe kommt, welche erfordert:
![]() Da ich glaubte, hierin die Maximalgrenze der Schmelzbarkeit erreicht zu haben, wurde nachstehendes Gemenge angesetzt:
Wie vorauszusehen, war dasselbe sehr schwerschmelzbar, und das aus demselben erhaltene Glas sehr striefig und hart. Spec. Gew. = 3,101. Zusammensetzung:
und nach Abzug des Thones:
Schwerschmelzbarkeit und Härte dieses Glases ließen mich auf erhöhte Resistenzfähigkeit gegen chemische. Agentien hoffen, aber ein deßfallsiger Versuch bestätigte solche Hoffnung nicht, und so dürften die Baryt-Kalkgläser ohne Alkali für die Praxis der Hütten nur von untergeordneter Bedeutung seyn. (Im Auszuge aus des Verfassers „Beiträge zur Chemie des Glases,“ Dorpater Doctordissertation, 1871.) |422| Poggendorff's Annalen, 1829, Bd. XV S. 242. |423| Baudrimont und Pelouze im Journal de chimie médicale, Mai 1830; Erdmann's Journal Bd. XVII S. 262. |423| In Betreff solcher Substitutionen bei |426| Mémoire sur la cause des bulles qui se trouvent dans le verre. Oeuvres de Bosc d'Antic (Paris 1870), t. I p. 1 – 20. |426| Comptes rendus, t. LX p. 985; polytechn. Journal, 1865, Bd. CLXXVIII S. 134. – Pelouze, über die Einwirkung von Wasser auf Glas, in den Comptes rendus, t. XLIII p. 117; polytechn. Journal, 1856, Bd. CXLII S. 121. |427| Polytechn. Journal, 1855, Bd. CXXXVIII S. 292. |429| Comptes rendus, t. LXIV p. 53; polytechn. Journal, 1867, Bd. CLXXXIV S. 310. |431| Bontemps, Guide du verrier, Paris 1868, p. 241. |431|
Analles du Conservatoire des arts et métiers, t. II p. 445. |
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